Der Kongress am 22.9.22 trägt den Titel „Medienqualität? Ausgezeichnet, ausgehandelt, ausgerechnet“. Die drei Partizipien, welche die Frage nach Medienqualität erweitern, verweisen auf drei Stränge aktueller Diskurse und Forschungsergebnisse:
Ausgezeichnet: Medienpreise, wie der Grimme Fernsehpreis und der Grimme Online Award, zeichnen seit Dekaden die Qualität von Medienproduktionen im deutschsprachigen Raum aus (Gerlach 2021). Die institutionalisierten Praktiken und Regularien der Bewertungsprozesse, die beteiligten Akteure, Kommissions- und Jurymitglieder und die beteiligte Medienöffentlichkeit bei den Preisvergaben prägen einen Qualitätsdiskurs, der zur Rekonstruktion einer Medienkulturgeschichte herangezogen werden kann. Da Preisvergaben zugleich als mediale Ereignisse inszeniert werden, wirken Qualitätsauszeichnungen zurück in die Medienberichterstattung und beeinflussen rekursiv die Rezeption und Produktion zukünftiger Formate. Im internationalen Vergleich zu anderen Medienpreisen zeigen sich die Besonderheiten deutscher Auszeichnungspraktiken und Qualitätsdiskurse.
Ausgehandelt: Qualität kann als eine aus einem Wertesystem abgeleitete normative Kategorie verstanden werden, wodurch sich in einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft eine Pluralität möglicher Systembezüge ergibt. Zu dieser Vielfalt der Bezüge zählen Werte innerhalb des journalistischen Systems, Werte einer Medienästhetik, Werte diverser, partizipativer Öffentlichkeiten und insbesondere auch die Werte, die durch den normativen und verfassungsrechtlichen Rahmen der liberalen Demokratie gesetzt sind (Gerard-Wenzel 2017). Im Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in den Kodizes journalistischer Ethik und in den multi-stakeholder-Ansätzen einer Internet-Governance liegen auszuhandelnde Wertebezüge zur Bestimmung von Medienqualität.
Ausgerechnet: Algorithmen erfassen und verändern zunehmend auch die Lebenswelt des Medienkonsums, indem sie ein datenbasiertes audience insight betreiben, auf dessen Grundlage personalisierte Medienangebote zusammengestellt werden. Predictive analytics soll Aufschluss über zukünftig erfolgreiche und nachgefragte Medieninhalte geben. Diese Rechenergebnisse fließen damit auch in die Planungs- und Produktions-prozesse von Medien ein (Moorstedt 2020). Erstarkende algorithmische Medienkulturen und eine datengetriebene Kulturindustrie werfen neue Fragen nach der Qualität maschinell erzeugter Medienprodukte („Roboter-Journalismus“), der journalistischen Anpassung an algorithmische Logiken („Plattformisierung“, vgl. Eichler 2022a, b), den Diskriminierungspotenzialen automatisch kuratierter Angebote, dem Status einer kreativen Autorschaft und nach einer möglichen maschinellen Homogenisierung der Medienkultur in Feedback-Schleifen auf.