Dokumentation

Am 22. September 2022 veranstaltete das Grimme-Forschungskolleg erstmals einen öffentlichen Kongress mit dem Titel: „Medienqualität? Ausgezeichnet, ausgehandelt, ausgerechnet“. Ausgezeichnet“ verweist auf Medienpreise, wie beispielsweise der Grimme-Fernsehpreis und der Grimme Online Award, die seit Jahrzehnten die Qualität von Medienproduktionen im deutschsprachigen Raum hervorheben. „Ausgehandelt“ bedeutet die Vielfalt der Werte und Perspektiven, etwa des journalistischen Systems, der Medienästhetik und des verfassungsrechtlichen Rahmens in einer liberalen Demokratie und schließlich sollten zu „ausgerechnet“ Fragen zu Algorithmen gestellt werden, die zunehmend Entscheidungen im Alltag, auch im Hinblick auf den Medienkonsum, prägen. Um die 80 Gäste besuchten den Kongress im Kölner KOMED, weitere waren via Stream beim Vormittagsprogramms dabei, dieser ist weiterhin hier zu sehen:

Begrüßungsgespräch

Das Programm startete mit einem Begrüßungsgespräch zwischen NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, Professorin Dr. Beatrix Busse (Prorektorin Lehre und Studium an der Universität zu Köln) und Dr. Frauke Gerlach (Direktorin des Grimme-Instituts). Es ging um den Einfluss von Qualität in den Medien auf die Demokratie, wie Qualität in Forschung und Lehre verankert ist und Qualität als DNA des Grimme-Instituts.

Wissenschaftsjournalist und Philosoph Professor Gert Scobel, der den gesamten Tag moderierte, fragte Hendrik Wüst nach der Bedeutung von Qualität in den Medien aus Sicht der Landesregierung. Wüst, der 2010 bis 2017 Geschäftsführer des Zeitungsverlegerverbandes NRW e.V. war, erklärte, Qualität sei hoch, wenn sich Journalismus, Verlage und Intendanz ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst seien. Sei dies nicht der Fall, werde durch den Kontrast zu Qualitätsjournalismus deutlich, wie wichtig dieser für die Demokratie und freiheitliche Gesellschaft ist. Auch Feinde der Demokratie und freiheitlichen Gesellschaft haben längst erkannt, was man im Verhältnis zum Schaden relativ geringen Mitteln mit Medien, die sich nicht dem Gemeinwohl der Demokratie und Qualität verpflichtet fühlen, anrichten könne. Unsere Gesellschaft müsse daher immer wieder ausverhandeln: Was ist uns Qualitätsjournalismus wert? Dies sehen wir gerade an der Debatte über den ÖRR, der eine Säule ist und bleiben muss – bei allen Reformnotwendigkeiten. Wichtig seien zudem für die Politik zu schaffende Rahmenbedingungen für frei finanzierten Qualitätsjournalismus und deutlich mehr Anstrengungen für Medienkompetenz, denn viele können unseriöse Quellen nicht erkennen.

Der Abgesang auf das Qualitätsmedium Zeitung sei falsch. Wüst forderte: 

„Wir sollten da nichts kaputt gehen lassen, nur weil im Digitalen etwas Neues entsteht. Die Rahmenbedingungen müssen passen, dafür, dass Qualitätsjournalismus auch in Zukunft, auch frei finanziert, stattfinden kann.“
Der NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst ist zu sehen, er gestikuliert mit den Händen während er spricht
Hendrik Wüst
NRW-Ministerpräsident

Natürlich gebe es den ökonomischen Wettbewerb, Politik müsse diesen nicht unterbinden. Der ÖRR ist dem Wettbewerb nicht in dem Maße unterzogen, Politik muss für freie Medien Rahmen schaffen, in dem Wettbewerb stattfinden kann. Daher brauchen wir Regulierung, damit Qualität nicht völlig über Bord geworfen wird. „Regulatorik schafft ein Stück weit Inseln im ökonomischen Wettbewerb“, so Wüst.

Dr. Beatrix Busse meinte, dass die Universität zu Köln, die auch Gesellschafter des Forschungskollegs ist, viele Chancen für Forschung und Lehre im Forschungskolleg sieht, bereits das Thema spreche dafür, (Anm.: „Entwicklung der Medien und Gesellschaft im digitalen Zeitalter (Forschungsgebiet) unter besonderer Berücksichtigung der medienrelevanten und medienbasierten Forschung“), zudem provoziere das Leben im (post-)digitalen Zeitalter eine Auseinandersetzung darüber erfordert, wie sich Bildung entwickelt und entwickeln muss. Große Fragen erforderten ein Zusammenspiel von interdisziplinärer Ausrichtung und Praxisrelevanz der Forschung.

„Ich glaube, dass Medienkompetenz und Medienqualität ein Phänomen ist, das wir für Nachhaltigkeit fördern müssen, damit wir alle teilhaben können am Diskurs, der in anderen Sphären, mit anderen Medien, verschiedenen Texttypten stattfindet, was zum nachhaltigen Diskurs beitragen kann.“
Prof. Dr. Beatrix Busse (Universität zu Köln)
Dr. Beatrix Busse
Universität zu Köln

Qualitätsentwicklung in der Lehre sei ein großes Thema. Zur Wissenschaftskommunikation zählt für Busse auch die gemeinsame Auseinandersetzung mit wichtigen aktuellen Fragen. Die Universität zu Köln wolle nicht nur informieren, sondern auch partizipativ Fragen in ko-kreativen Prozessen in neuen Formaten erarbeiten. Qualitätsmerkmale seien die Freiheit der Forschung und Lehre, das Arbeiten nach Werten und nach guter wissenschaftlicher Praxis.

Warum Qualitätsbeurteilungen Teil der DNA des Grimme-Instituts ist, verdeutlichte Dr. Frauke Gerlach anhand der Geschichte des Grimme-Preises: Die Grundidee war 1964, den Umgang mit Medien zu lernen, damals noch mit dem jungen Medium Fernsehen. Grimme-Preis-Gründer Bert Donnepp erkannte, vor allem vor dem Hintergrund der Geschichte des Nationalsozialismus, was das Radio, etwa über den damals aufkommenden Volksempfänger, leisten, aber auch anrichten kann. Er hat das in einem – aus heutiger Sicht medienkritischen Diskurs – für das Fernsehen aufbereitet und es als so wichtig erachtet, dass man sich mit Populismus und den eingeschränkten Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, dass nur einer senden kann, beschäftigt. Die damals noch junge Bundesrepublik war schwer erschüttert vom Weltkrieg und den Gräueltaten der Nazis und in dieser Zeit ging der 1. Grimme-Preis Gold an die die Folge „Der SS-Staat“ der Reihe „Das 3. Reich“. Donnepp sagte, der Grimme-Preis war nie nur ein Preis, er wollte den kritischen Diskurs über das Fernsehen mit der Gesellschaft schaffen. Damals wurde in VHS-Fernsehkreisen diskutiert und rückgespiegelt, Medienbildung spielte eine zentrale Rolle bei der Implementierung des Preises. Später hat das Grimme-Institut, auf der Grundlage der Ideen von Friedrich Hagedorn, dies auf das damals junge Medium Internet übertragen und rief den Grimme Online Award 2001 ins Leben. Das Grimme-Institut hat zudem neben den Bereichen Medienqualität, Medienbildung und Fortbildung von Journalist:innen Forschungsaufgaben übernommen. Das Grimme-Institut hat auch schon immer Projekte mit Universitäten durchgeführt, war aber der Überzeugung, gemeinsam mit Landesregierung und Gesellschaftern des Grimme-Instituts, sich strukturell mit einer Universität verbinden zu müssen, um mehr Wissen zu generieren. Aus dieser Idee entstand 2015 das Grimme-Forschungskolleg.

„Ein wesentlicher Baustein von Wissenschaftskommunikation: Wir bieten im Forschungskolleg Projekte an, mit denen wir Fragestellungen zum Themenfeld Medien und Gesellschaft im digitalen Zeitalter erforschen, um Lösungsansätze für die Praxis und gemeinsam mit der Praxis zu entwickeln.“
Dr. Frauke Gerlach, Grimme-Institute
Dr. Frauke Gerlach
Grimme-Institut

Eröffnungsvortrag

An das Begrüßungsgespräch schloss sich der Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Christoph Neuberger von der Freien Universität Berlin und Direktor des Weizenbaum-Instituts für die vernetzte Gesellschaft an, der die Verbindungslinien aufzeigte zum Kongressthema „Ausgezeichnet, ausgehandelt, ausgerechnet“. Neubergers Vortragstitel lautete: „Ausgerechnet oder ausgehandelt? Wie wir zu maßvollen Urteilen über Medien gelangen“. Hier die Zusammenfassung (den vollständigen Vortrag als PDF zum Download):

Qualitätsurteile über Medien fallen oft sehr eindeutig und einseitig aus. Gerade in den letzten Jahren gab es immer wieder massive Kritik – gipfelnd im Vorwurf der „Lügenpresse“. Dies führt regelmäßig dazu, dass sich Fronten im Qualitätsdiskurs verhärten. Wie kommen wir aus dieser Blockade? Maßvoll zu urteilen, bedeutet, zu wohlbegründeten, am Gemeinwohl orientierten, kompetenten und neutralen Bewertungen zu gelangen, die zugleich die Vielfalt der Erwartungen austarieren sowie der Dynamik des Medien- und Gesellschaftswandels gerecht werden. Das lässt sich leicht formulieren – aber schwer umsetzen. Der Vortrag macht dafür einige Vorschläge. Dafür werden drei Fragen diskutiert, deren erste lautet: Was ist „ausgezeichnet“? Dies ist die Frage nach dem Maßstab für Medienqualität. 

 

Prof. Neuberger steht am Rednerpult, im Hintergrund eine Folie einer Präsentation mit mehreren Begriffen
Prof. Dr. Christoph Neuberger hielt den Eröffnungsvortrag. Foto: Georg Jorczyk/Grimme-Institut

In der zweiten Frage geht es um die Bewertungsverfahren: Wird Qualität „ausgehandelt“ oder „ausgerechnet“? Die dritte Frage bezieht sich darauf, wie Vorbildliches nicht nur gefunden, sondern auch vorgezeigt wird. Es geht um „ausgezeichnet!“ mit Ausrufezeichen (statt mit Fragezeichen wie bei der ersten Frage), also um den Qualitätsdiskurs, in dem öffentlich über Medienqualität befunden wird.

Gespräch

„Medienqualität und der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ war das Thema des nächsten Programmpunkts, einem Gespräch zwischen Claus Grewenig, Chief Corporate Affairs Officer RTL Deutschland und Vorstandsvorsitzender VAUNET, Verband Privater Medien, sowie Prof. Dr. Leonhard Dobusch von der Universität Innsbruck und Mitglied im ZDF-Verwaltungsrat.

Leonhard Dobusch erklärte, dass sich Qualitätsfragen nicht ein für allemal beantworten lassen und die fortdauernde Diskussion wichtig sei. Quantitative Beurteilungsfragen haben einen schlechten Ruf und eine Quotenfixierung werde immer beklagt, dennoch bleibe sie eine wichtige Maßzahl für Erfolgsmessung vom Programm. Die Einflussnahme durch Algorithmen auf Plattformen betreffe häufig Reichweitenorientierung und -optimierung. Gebe es diesen Reichweiteneffekt nicht, würden die Öffentlich Rechtlichen die Kommentarfunktion auch heute noch auf den Plattformen abschalten. Es gibt dadurch also den Zwang, sich dem Publikum stärker zuzuwenden, zu öffnen und in den Dialog zu gehen. Damit kommen wir zu ganz vielen Qualitätsdimensionen, die den ÖRR agiler, interessanter machen und führen nicht nur die Retro-Rabatte, dass zu stark auf Reichweite ziele.

Die Journalist:innen und Redaktionen von den Öffentlich Rechtlichen moderierten ihre Inhalte auf privaten Plattformen heute intensiv, während die Mediatheken den Nutzern keine Stimme einräumen, was fatal sei. Die ÖR-Mediatheken haben in den letzten Jahren zu Netflix von der Reichweite und Nutzung her aufgeschlossen. Entwickelte man die eigenen Angebote/Portale in Richtung Plattformen und würde diese öffnen, z.B. für Kommentare, schaffe man einen alternativen Ort für Meinungsbildung im Netz, der nicht primär einem profitorientierten Algorithmendesign entspricht.

Grewenig kritisierte, dass die Qualitätsdebatte oft auf wenige reichweiten- und aufmerksamkeitsstarke Inhalte ausgerichtet sei, was das schwarz-weiß Bild präge, auch in der Meinung über Qualität. Dabei habe es sich gelohnt, auch auf andere Inhalte, etwa im privaten Rundfunk zu schauen. Allgemeine Vorschriften des Medienstaatsvertrags gelten für private und ÖR gleich, die Landesmedienanstalten prüfen journalistische Qualität. Hinweise auf Verstöße kommen meistens von außen, zu Recht gebe es daher die Debatte, wie die Gremien zu stärken seien.
Grewenig erläuterte, dass der private Rundfunk seit einigen Jahren Kriterien anwende, die es ihm ermöglichten, künftig Angeboten Public Value Status einräumen zu können. Der ÖR habe per se mit jedem Angebot einen Public Value Status, was grundsätzlich nachvollziehbar, aber manchmal fraglich sei, etwa wenn die SWR-Jugendwelle DASDING beschlossen hat, künftig anstatt musikalischer Vielfalt mehr Mainstream zu senden.

Doch gerade die Öffentlich Rechtlichen müssten doch nicht nur auf die Zahlen schauen:

„Die Plattformen sind auf die ÖRR-Inhalte nicht angewiesen, aber unser öffentlicher Diskurs ist darauf angewiesen, dass wir diese Plattformen nicht nur den Verschwörungsschwurblern überlassen und man dort präsent ist und das wird auch rezipiert.“
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Prof. Dr. Leonhard Dobusch
Universität Innsbruck und Mitglied im ZDF-Verwaltungsrat
„Wer, wenn nicht der ÖR kann es sich denn erlauben, auch zu den Hauptnutzungszeiten – linear oder nonlinear – Dinge zu machen, die am Ende nicht auch erfolgreich in der Reichweite sein müssen? Das ist doch ein Riesenprivileg und das müsste stärker genutzt werden.“
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Claus Grewenig
RTL Deutschland und VAUNET

Wenn man Programme für alle machen wolle, benötige es dennoch einen gewissen Abgleich: Gibt es das auch woanders? Muss man Lizenzgebühren ausgeben? Muss man 2-3 Kamerateams hinschicken? Funk habe gezeigt, dass man Reichweiten erzielen kann, wenn man es eben anders macht.

Um Programme für alle anzubieten, berichtet Dobusch, habe der neue ZDF-Intendant Norbert Himmler einen innovativen und sozialwissenschaftlich fundierten Zugang gewählt: Er hat gesagt: „Als öffentlich rechtlicher Rundfunk können wir uns nicht nur auf die werberelevante Zielgruppe beschränken“. Die Idee ist, die Breite der Bevölkerung nach sechs Content-Communities abzubilden, die man mit unterschiedlichen Inhalte-Schwerpunkten abholen kann. Dann sei zu schauen, wieviel Geld man hierfür ausgebe, das müsse geprüft und dann evtl. nach dem Bevölkerungsanteil unter den Content-Communities Programmen umgeschichtet werden. Gesellschaftliche Vielfalt könne man als Steuerungselement betrachten, dürfe dies aber nicht stur nach Alterskohorten oder werberelevanten Zielgruppen einteilen, sondern müsse es nach sozialwissenschaftlich definierten Content-Communities abbilden.

In der anschließenden Publikumsdiskussion wurde unter anderem darüber debattiert, ob die Gesellschaft ein öffentlich-rechtliches soziales Netzwerk benötige.

Paneldiskussion

Die nächste Paneldiskussion widmete sich der „Medienqualität zwischen Preisen, Programmen und Plattformen“. Gäste waren Dr. Heike Hupertz (freie Journalistin und freie Fernsehkritikerin, Grimme-Preis Jurymitglied) und Prof. Dr. Leonhard Dobusch (Universität Innsbruck, Mitglied im ZDF-Verwaltungsrat). Für Sabine Frank (Head of Governmental Affairs and Public Policy YouTube), die wegen einer Flugverspätung nicht rechtzeitig zum Kongress kommen konnte, ging Dr. Martin Andree von der Universität zu Köln in die Paneldiskussion, der ein Forschungsprojekt zu Plattformen durchführte.

Heike Hupertz berichtet über den Qualitätsdiskurs während ihrer 20-jährigen Grimme-Preis-Jurorentätigkeit:

„Was sich verändert hat, ist die Verschiebung des Jury-Diskurses hin zu mehr Sachlichkeit in den letzten Jahren. Nun hat sich die Debatte qualitativ verbessert“.
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Dr. Heike Hupertz
freie Journalistin und Fernsehkritikerin, Jurymitglied Grimme-Preis

 Zuvor sei es häufig eine persönliche Einschätzung von Qualität gewesen, die den Schwerpunkt der Debatte bildete. Unterschiede zwischen linearen und nicht-linearen Medien seien in der Qualitätsdiskussion erstmal sekundär. Die Preise und Statuten werden stetig angepasst und die Qualität ihrer Arbeit bestehe darin, auch sehr viel zu sichten. Das serielle Phänomen haben die Jurys berücksichtigt und sie mussten damit über eine Klippe springen, die viele negative Schlagzeilen gebracht habe. Veränderung in Sehgewohnheiten und Produktion schätzt die Jury allerdings, daher könne diese Arbeit niemals statisch sein.

Im weiteren Verlauf des Gesprächs ging es um die Gefahr der Verschleierung von Inhalten und Fragen durch eine Vielzahl von erhobenen Daten und Zahlen. Dobusch erklärte, dass die eigentlich wichtigste Plattform für unsere digitale Informationswelt bislang in den Gesprächen nicht vorkam: Wikipedia, die reichweitenstärkste gemeinnützige Plattform. Auch Google bereite vor allem Wikipedia-Resultate im Knowledge-Graph auf.
Dort werde ständig transparent für alle sichtbar ausgehandelt, etwa Wiki Data, Kategorien fassen etc.

„Meine Sorge: Die reflektierte Art selbst bei basalen Dingen, die dann wiederum Basis sind für Messungen, für Zahlen, die dann über die Kennzahlen aggregiert werden, es ist meine Sorge, dass diese enorm wichtigen politischen normativen Fragen verschleiert werden durch die Vielzahl an Messzahlen.“
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Prof. Dr. Leonhard Dobusch
Universität Innsbruck und Mitglied im ZDF-Verwaltungsrat

Andree nannte sprach dagegen über die „Todesfalle der analogen Medien“:

„Die analogen Medien sind in einem ökonomischen Markt und gezwungen, sich positiv darzustellen. In jedem Quartal präsentiert der ÖRR in seinen Reports die großartigen Ergebnisse der Digitalisierungsstrategie, was eine komplette Ablösung der Realität ist, denn die ÖRR Medien kommen digital kaum vor.“
Dr. Martin Andree
Dr. Martin Andree
Universität zu Köln

Andree nannte als Beispiel auch den „Spiegel“, der seine Nutzungszahlen als Erfolg präsentiert, aber die unglaublich kurze Verweildauer auf seinen Seiten verschweigt.
Andree bilanzierte: „Ich würde die Welt dreiteilen: Plattformen, Fernsehen, Verlage und klassischer Journalismus.“ Auch ökonomisch gesehen gehe das letzte Drittel gerade unter, auf der anderen Seite stehe das massive Wachstum der Digitalkonzerne und Plattformen. Über das Fernsehen werde immer behauptet, dass die Lage stabil sei, auch Fernsehen und Rundfunk gingen zwar über zur Digitalisierung, aber das Wachstum sei viel kleiner im Vergleich zu Plattformen, somit sei das Fernsehen die letzte Chance, da das Verlagsgeschäft kaum noch eine Rolle spiele.

Dobusch sah das anders, man solle von der Verschiebung von Werbeumsetzen nicht auf Medienbedeutung schließen, es herrsche eine komplett andere Werbeform auf Plattformen. Nicht die schlechteste Entwicklung sei das sinkende Verlagsgeschäft: „Lasst Lokalzeitungen sterben, damit Lokaljournalismus leben kann“, forderte Dobusch.

Zu den Werkstätten

Im Anschluss präsentierte Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer, Wissenschaftlicher Direktor am Grimme-Forschungskolleg an der Universität zu Köln, einige Projekte und die bisherige Arbeit des Grimme-Forschungskollegs in einem Einspieler (im Stream zu sehen ab 2:47:45). Peifer bilanzierte den Vormittag und erklärte, dass Forschungskolleg wolle nicht nur beobachten, sondern auch Lösungen auf wissenschaftlicher Grundlage finden. Am Vormittag ging es um die Fragen: Was sind eure Themen? Was sagen Menschen zu diesen Themen aus ihren eigenen Wahrnehmungen? Welche Fragestellungen und Sachverhalte ergeben sich daraus?

Am Nachmittag ging es weiter mit 3 Werkstätten, die über ihre bisherige Arbeit berichteten und diskutierten, was an Ergebnissen hervorgebracht wurde und welche Ergebnisse es für den Forschungsbedarf gibt.

In „ausgezeichnet“ ging es um die Entwicklung von Qualitätskriterien in der Vergangenheit und die Frage, welche dieser Kriterien zukünftige sein können „Ausgehandelt“ beschäftigte sich mit dem Idealbild eines gelingenden Diskurses. Man forschte zur Frage: Was bedeutet die Fragmentierung einer ursprünglichen Öffentlichkeit und medialen Landschaft, was bedeutet das für das gesellschaftliche Leben? Wie kommen wir zu gelingenden Diskursen in einer neuen medialen Öffentlichkeit „Ausgerechnet“ bezog die Qualität von Algorithmen ein und fragte danach, ob und wie man das, was wir bisher normativ im Diskurs erreicht haben, auch algorithmisieren könnte. Am Nachmittag gab es eine Präsentation der Ergebnisse aus den Werkstätten und Berichte über den Werkstattverlauf sowie die sich daraus ergebende Forschungsperspektive. Die Protokolle dazu finden sich in Kürze hier.

Das Programm finden Sie hier.

Ein Abendempfang bot nach Grußworten von Prof. Dr. Beatrix Busse (Prorektorin Lehre und Studium an der Universität zu Köln) und Prof. Dr. Stefan Grohé (Vorsitzender des Aufsichtsrats des Grimme-Forschungskollegs und Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln) Gelegenheit zum Netzwerken und beschloss den informativen ersten Kongress.

Hier weitere Impressionen vom Kongress, die Dokumentation wird um weitere Informationen ergänzt.

Fotos: Georg Jorczyk / Grimme-Institut